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Andachten für Zuhause

Predigtreihe zum Vaterunser, Januar/ Februar 2024

VATERUNSER IM HIMMEL - VIKTORIA KRATOCHWILL


GEHEILIGT WERDE DEIN NAME - MARTIN KRATOCHWILL



DEIN REICH KOMME - YVONNE AHRENS
Drei.
Mehr braucht es nicht.
Das ist alles.
Das sagt mir alles und doch nichts. 
Drei braucht es, mehr nicht, und du hast alles.
Drei Worte, mit denen ich beten kann.
Drei – die antworten.
Drei – die hoffen lassen.
Drei – die um Wahrheit bitten.
Drei – die die Liebe meinen und das Leben wollen.
Drei – die fragen lassen: Wo? Wie? Wann?
Drei für alles.
Drei – die eins und damit alles hoffen, alles wollen, alles bitten.

Drei Worte: Dein Reich komme.
Mehr braucht es nicht.

Jesus selbst sagt seinen Jüngern, dass sie nicht viel „plappern“ sollen, wenn sie beten, dass ein Gebet keine vielen Worte braucht und schenkt ihnen diese wenigen Worte, auf die sie immer wieder zurückgreifen können. Mit denen alles gesagt ist.

Gut, ich gebe zu, eigentlich sind es nicht nur diese drei Worte, die Jesus ihnen mitgibt, sondern – bekanntermaßen – ein paar mehr, 63 insgesamt, das gesamte Vater Unser. Trotzdem: Ich glaube, dass all die Bitten des Vater Unsers in diesen drei Worten bereits zusammengefasst sind: Dein Reich komme.

Mehr braucht es nicht.

Drei Worte – Sie antworten auf das Evangelium vom Reich Gottes, das Jesus verkündigt. Jesus sagt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt daran.“

Die drei Worte antworten auf diese Botschaft, diesen Ruf Jesu, indem sie darum bitten und darauf hoffen, dass das wahr wird. Also, dass all das wahr ist, wird und bleibt, wofür Jesus Christus steht. Sie hoffen, dass es wahr ist, dass Jesus unser Christus, unser Weg zum Leben ist – weil durch ihn Tod und Leid ihre Macht verlieren und Menschen mutig und vertrauensvoll Leben gestalten können, weil sie gerettet sind, d.h. trotz allem geliebt sind – nicht, weil sie besonders erfolgreich, stark, mutig, schlau sind, sondern einfach, weil sie Mensch sind und Gott die Menschen so sehr liebt, dass er für sie auch die dunklen Wege des Menschseins mitgeht. Die drei Worte hoffen, dass Tod und Leid ihre Macht verlieren, weil niemand verloren geht. Niemand an den Rand gedrängt wird. Weil das, was Menschen voneinander und von Gott trennt, aufgehoben ist. Dass Gott für uns in unserem Leben Gott wird, das bitten und hoffen sie. Das bitte und hoffe ich, wenn ich diese drei Worte bete.

Dein Reich komme. Mehr braucht es nicht.

Wer so bittet, nimmt sich selbst zurück: Nicht mein Reich, sondern dein Reich. Nicht mein, sondern dein Name soll auf und über allem stehen. Nicht mein, sondern dein Wort zählt. Nicht ich, sondern du sollst alles lenken und regieren.

Wirklich? Warum sollte ich darum bitten? Reich, alleinige Herrschaft, regieren – alles Worte, die in unserer Gesellschaft eher negativ konnotiert sind – nicht ohne Grund – Ich erinnere mich an Bilder und Berichte von Unterdrückung und Demütigung, bedrohlicher Abhängigkeit und Einschränkung. Warum sollte ich darum bitten? Das klingt nach viel Macht für einen Einzigen – und zu viel Macht tut den wenigsten Menschen auf dieser Welt gut. Aber dein Reich ist nicht von dieser Welt, du bist kein Mensch. Darum doch diese Bitte – nicht mehr und nicht weniger:

Dein Reich komme.

Wer so bittet, nimmt sich selbst zurück, und gibt sich selbst doch nicht auf – nur ein Ich kann „Du“ sagen.  Wer „Du“ sagt und „Dein Reich komme“, der vertraut sich an, bittet um Führung, der bleibt in Beziehung. Denn ein Du kann es nicht ohne ein Ich geben. Wer betet „Dein Reich komme“, der erwartet etwas vom Du und seinem Reich für sich selbst. Doch was erwarte ich?

Etwas ganz anderes, Neues? Dass sich etwas ändert, bestimmt.

Ich frage mich: Was ist das, was da kommen soll? Was ist mit mir, wenn du regierst? Was gilt in deinem Reich – wenn es doch so anders ist als unsere Reiche? Wenn es unsere Maßstäbe aufhebt, was nimmt es dann zum Maßstab?

Vor allem gilt, so sagst du: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst.“ 

Okay, das ist also der Knackpunkt, denke ich: Dort regiert die Liebe. 

Ich erinnere mich an viele Umarmungen meiner Mutter, in denen ich mich wohl und sicher gefühlt habe – selbst, nachdem wir uns gestritten hatten.
Ich erinnere mich an Freund*innen, die Türen für mich geöffnet, mich begleitet und mir geholfen haben – ohne, dass ich gefragt habe, ohne dass sie etwas als Gegenleistung erwarteten.
Liebe zwingt nicht, stellt keine Bedingungen, Liebe demütigt nicht und schränkt nicht ein. Liebe befreit, öffnet Wege und Freiräume, sie erhöht und ermächtigt, sie will das Leben – voll und ganz mit allem und in Freiheit.

Darum hoffen die drei Worte nur eins – dass dein Reich komme – und damit hoffen, wollen, bitten sie alles.

Da lässt sich schon fragen: Wann denn? Wann wird es endlich soweit sein? Wann werden wir endlich merken, dass Gottes Reich da ist? Ganz klar: Wo, wie und wann – das ist nicht so einfach zu sagen, uns fehlen Worte, die das fassen könnten: Schon jetzt in unserer Zeit und doch erst in Gottes Ewigkeit, nicht statisch, sondern ganz dynamisch, lebendig, klein wie ein Senfkorn und gewaltig wie ein Baum, mit großem Festmahl und Heulen und Zähneklappern. „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es!“

Gottes Reich kommt aus eigener Kraft, aber entscheidend ist doch, ob es für mich wirklich wird. Dass ich spüren kann, dass Gottes Kraft auch in meinem Leben wirkt. Wer bittet: „Dein Reich komme“, der lehnt sich nicht einfach unbeteiligt zurück, sondern wagt bereits einen Schritt hinein in das Reich, das doch aus eigener Kraft kommt. Denn die Liebe, die dieses Reich regiert, ist nichts, was ohne uns geschehen könnte, sondern nur mit uns und unter uns, nicht über uns hinweg; Liebe ist Beziehungsgeschehen, sie braucht das Du und das Ich. Diese Liebe aber können wir nicht herbeiführen, uns aber nach ihr ausstrecken, nach ihr suchen und um sie bitten. Ihr immer wieder eine Chance geben, unser Leben dort aufzubrechen, wo wir in Sackgassen geraten und aus eigener Kraft keinen Ausweg mehr finden. Wenn die Angst vor der Zukunft größer ist als der Mut, Neues zu wagen und etwas zu verändern. Wenn ich mich selbst nicht mehr traue, um Vergebung zu bitten. Wenn ich so verletzt bin, dass es mir schwerfällt, zu vergeben. Wenn meine begrenzte Perspektive verhindert, andere Menschen zu verstehen.

Vielleicht ist es daher gut, immer wieder nicht weniger zu bitten als: Dein Reich komme. 

Aber mehr braucht es auch gar nicht.

Ich kann und brauche es nicht in der Ferne zu suchen – denn du versprichst, dass dein Reich mitten unter uns ist – wenn Leidende getröstet werden und an der Freude am Leben festhalten können. Wenn Menschen spüren, dass sie um ihrer selbst willen geliebt sind. Wenn Menschen, neu anfangen können. Wenn Menschen Vergebung erfahren und sich für Frieden einsetzen. Wenn Menschen nicht nur sich selbst wahr- und ernstnehmen und anderen mit Liebe begegnen.

Da, wo Menschen heil werden, sich gerettet erfahren, weil sie spüren, dass sie gut sind, wie sie sind und da jemand ist, der sie genauso liebt, und wenn das, was uns voneinander und von Gott trennt, aufgehoben wird, ist Gottes Reich schon jetzt mitten unter uns – das kann ich schon jetzt in unserer Zeit erfahren – im Abendmahl, im Gebet, im Segen.

Dein Reich komme. Mehr braucht es nicht.

Drei Worte, die bitten, dass dein Reich seinen Anfang nimmt in unserer Zeit, es sich auf uns zubewegt, mich hineinnimmt und vollendet wird in Ewigkeit.

Drei.
Mehr braucht es nicht.
Das ist alles.
Das sagt mir alles und doch nichts. 
Drei braucht es, mehr nicht, und du hast alles.
Drei Worte, mit denen ich beten kann.
Drei – die antworten.
Drei – die hoffen lassen.
Drei – die um Wahrheit bitten.
Drei – die die Liebe meinen und das Leben wollen.
Drei – die fragen lassen: Wo? Wie? Wann?
Drei für alles.
Drei – die eins und damit alles hoffen, alles wollen, alles bitten.

Drei Worte: Dein Reich komme.
Amen.


DEIN WILLE GESCHEHE. WIE IM HIMMEL SO AUF ERDEN -
HEIKE SIEBERNS
Kloster auf Zeit. Ich hatte das von einer Freundin gehört. Im Grunde ist es wie Urlaub auf dem Bauernhof. Nur eben im Kloster. Man bekommt ein Zimmer. Manchmal auch noch eine Aufgabe - zum Beispiel in den Rosenbeeten. Und dann lässt man sich in den Tagesrhythmus des Klosters fallen. Der erste Gang am Morgen geht in die Krypta. Was erstmal dunkel klingt, überrascht nach der letzten Treppe mit hellen Wänden und Rundbögen. Ganz muckelig und dennoch anmutig. Die Glocken läuten zum Gebet. Und noch bevor der Lärm des Tages die Ohren belagert, ist da erstmal Stille. Und das Erste, was meine Lippen verlässt, ist ein Lobgesang. Ein Jubellied. Auf Gott. Dann eine Schriftlesung. Gottes Wort. Es ist das Erste, was mir heute Morgen zugesprochen wird. Es ist die Geschichte von Petrus, der im Wasser versinkt. Und während ich an dem Gedanken hängen, ob ich eigentlich genug Gottvertrauen aufbringen könnte, um einen Fuß auf den Wasserspiegel zu setzen, sprechen wir schon gemeinsam: „Vater unser im Himmel. Geheilt werde dein Name.“ Die Nonnen verbeugen sich vor dem Kreuz und gehen leisen, aber zügigen Schrittes in Richtung Speisesaal. Das Frühstück ist liebevoll hergerichtet. Es riecht nach frischem Brot. Geschnitzte Gurken, Paprika und Tomaten machen das Buffet zu einem Farbspiel. Die Kresse auf dem Frischkäse ist fernsehreif.

Und ich stehe da, mit meinem blauen Keramikteller in der Schlage und habe das Gefühl, hier ist der Himmel auf Erden. Weil jemand die Gurken zu kleinen Kronen geschnitzt hat? Weil die Radieschen wie Rosen auf dem Tablett liegen? Weil der Käse auf Salatblättern liegt?
Vielleicht ein bisschen. Aber nicht, weil das Gemüse zu kleinen Kunstwerken geworden ist.

Vielleicht, weil ich merke: Hier hat es mir jemand schön gemacht. Hier hat jemand vor meinem Morgengebet geschnippelt und in Szene gesetzt. Hier hat sich jemand damit Arbeit gemacht, was ich gleich essen werde. Damit, was mich stärken wird, bevor ich zwischen den Rosen herumkrieche.
Und so, wie es da liegt, verlangt es förmlich, bewusst gegessen zu werden.
Es ist kein schlichter Energielieferant, damit die Arbeit endlich beginnen kann. Mit der Kresse auf dem Frischkäse liegt da noch mehr auf meinem Teller. Da liegt das Gegenteil von Gedankenlosigkeit. Da liegen viele Sonnenstunden und immer wieder einige Tropfen Wasser, die jemand auf die Watte geträufelt hat.
Als ich mit meinen alten Klamotten meine Zimmertür hinter mit zuziehe und mich auf den Weg zum Rosenbeet mache, merke ich, wie die Gedanken in meinem Kopf meckern.
„In welcher Welt gibt es jeden Tag frisches Brot und geschnitzte Radieschen zum Frühstück. Denen gehts doch zu gut hier. Hier - hinter ihren Klostermauern. Fernab von der Welt, die mit jeder Tagesschau kurz davor steht, auseinanderzubrechen.“ Die Welt wirkt nach diesem Frühstück noch verlorener als vorher. Die Welt, in der gutes Essen für viele Menschen eine Frage des Geldes ist. Meine Stimmung ist im Keller. Die Freude von heute morgen habe ich wohl im Speisesaal liegen gelassen. Dafür hackt es sich jetzt viel besser als gestern. Und so werde ich nun doch schon bis zum Mittagsgebet mit dem Beet fertig. Ein bisschen beeilen muss ich mich aber trotzdem. Die dreckigen Klamotten gegen die guten tauschen und ab in die Krypta. Die Ordensschwestern sind schon da. Wir singen wieder Gott zur Ehre. Und ich bilde mir wieder ein, nur dann klingt es gut.

Wir hören auf Gottes Wort und sprechen gemeinsam: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden.“ und dackeln wieder hinüber zum Speisesaal. Es gibt - natürlich, ich hätte es mir denken können - frischen Salat aus dem Garten, Petersilienkartoffeln, Bratlinge und geschmorte Möhren. Als wäre ich gerade in eine druckfrische Landlust gepurzelt. Beim Mittag wird geschwiegen. Ich liebe es. Was ich mir erst nicht vorstellen konnte ist jetzt ein bisschen Himmel auf Erden für mich. Nur die schönen gefüllten blauen Teller, der Geschmack auf meiner Zunge und das Geklapper des Bestecks. Dann ist Mittagspause.

Ich nehme mir einen Tee und setze mich auf eine Bank an der Klostermauer. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Mein Rücken lehnt an den kühlen, alten Steinen. Und während ich meine Gedanken hin und herschiebe, zwischen „denen gehts hier doch zu gut“ und „eigentlich, wenn ich ehrlich bin, bin ich einfach nur neidisch“, höre ich eine der Schwestern fragen: „Darf ich mich zu dir setzen?“
Ich lächle verlegen, sagen irgendwas Zustimmendes und rücke ein Stück weiter nach links.

Nach ein bisschen Vorgeplänkel „Wo kommst du her“ und „Wo willst du hin“, erzählt mir die Ordensschwester, dass sie eine Novizin ist. Also quasi Ordensschwester in Ausbildung. Sie ist Lehrerin für Biologie und Deutsch. Nicht mehr in die Klassenräume zu gehen, sei ein komischer Gedanke, sagt sie. Sie mag diese Arbeit. Das Miteinander in der Schule. Die kleinen und großen Erfolge mit den Kindern und Jugendlichen feiern. Aber der Unterricht und die Schule - das war das Einzige, was ihr Leben noch hergegeben hat. 24/7 war sie für die Schüler:innen da. Und sie haben ihr vertraut. Wussten, dass sie immer zu ihr kommen konnten. Auch gerade dann, wenn es zu Hause geknallt hat.
Das war gut. Und ein schönes Gefühl, gebraucht zu werden. Aber was macht man mit einem Akku, der ständig auf Reserve läuft? Der gar nicht wieder voll wird?

Sie hatte sich eine Auszeit nehmen wollen. Hier im Kloster. Hatte von einer Freundin davon gehört. Und aus zwei Wochen wurden vier. Aus einem Monat wurden drei. Es wurde ein Jahr und dann hat sie sich entschieden, das Noviziat zu beginnen.

Wir sitzen auf der Bank und schweigen. Ich traue mich erst nicht zu fragen, tue es dann aber doch… „Und wie hat dein Umfeld darauf reagiert?“
Sie lacht. Und erzählt, dass sie eigentlich niemand so richtig ernst genommen habe. Ein Lebensmodel, das man aus alten Geschichten und Filmen kennt. Fern ab von jeder Realität. Fern ab davon, etwas Gutes für diese Welt beizutragen. Fern ab von Gut und Böse.

Es wird nochmal kurz still und dann wird ihre Stimme ganz warm:

„Ich hab hier sowas wie Familie gefunden. Wir arbeiten und leben hier zusammen. Wir lachen und streiten. Aber immer mit dem Wissen, dass wir alle auf dem gleichen Grund stehen. Auf dem, den Gott uns gibt.
So unumstößlich, wie sonst nichts auf dieser Welt. Und wir alle haben uns in seinen Dienst gestellt. Und feiern Gottesdienst - in jedem Atemzug. 
Wir feiern Gottesdienst, wenn wir unsere Gäste an der Pforte in Empfang nahmen. Wir feiern Gottesdienst, wenn der Garten winterfest gemacht wird. Wir feiern Gottesdienst, wenn wir mit einer neuen Gruppe in die Schweige-Exerzitien starten.
Und wenn die Gäste wieder mit den Koffern vom Gelände rollen, bin ich mir oft sicher, ihr Akku konnte hier laden. Ihr Herz ist ein bisschen fester. Sie gehen gestärkt.
Das ist gut zu wissen. Gut, etwas tun zu können, für diese Menschen. Gut zu wissen, dass sie hier Platz und Zeit haben für Gottes Wort. Ein bisschen Himmel auf Erden.“

Wir schweigen wieder. Bevor sie geht, legt sie ein Notizbuch neben mich. Auf der ersten Seite steht etwas mit schneller Handschrift. Ein paar Verse aus dem Kolossarbrief. „Das ist die Überschrift für meine Zeit als Novizin. Ich lese diese Verse jeden Morgen im Bett. Vielleicht ist es auch ein Gedanke für dich. Du kannst mir das Buch später zum Abendbrot mitbringen oder vor mein Zimmer legen.“ Sie lächelt und geht.
Ich schau ihr nach, nehme das Buch in die Hand und lese:
2Hört nicht auf zu beten.
Bleibt dabei stets wachsam und voller Dankbarkeit!
3Betet dabei zugleich auch für uns,
dass Gott uns eine Tür für sein Wort öffnet.
Mit ihm verkünden wir das Geheimnis,
dass Christus bei euch gegenwärtig ist.
Wegen dieser Botschaft bin ich in Haft.
4Betet auch, dass ich es anderen so enthüllen kann,
wie mein Verkündigungsauftrag es erfordert.

Ich sitze da und mein Ärger ist verflogen. Ich bin baff, dass mir diese Frau gerade wo freimütig von sich erzählt hat. Und ich bin beeindruckt. Beeindruckt von dieser Frau, die ihr Leben in den Dienst Gottes stellt. Die hier bei den Schwestern eine Familie gefunden hat. Die vermutlich in jedem Vater Unser „Dein Wille geschehe“ völlig ernst meint. Ich schäme mich für meine meckernden Gedanken vom Vormittag. 

Denn was die Frauen hier haben ist schön. Aber es ist schlicht. Im besten Sinne.
Sie tragen keinen Schmuck oder gefärbte Haare. Sie haben ihre Arbeitskleidung und sonst ihren Habit. Sie haben jeweils knapp 20qm für sich. . Alles Hab und Gut aus dem früheren Leben gehört nun dem Orden. Und bei jedem bisschen größeren Kauf, müssen alle einverstanden sein.
Was die Frauen hier haben, ist schlicht. Ist fokussiert. Ist schön. Auf eine ganz eigene Art.

Als ich am Abend sehr früh in der Krypta bin und die Frauen nach und nach eintrudeln, bin ich mir sicher:
Von diesen hier ist keine Petrus. Ihr Fuß würde nicht im Wasser versinken. Weil sie es von ganzem Herzen sprechen: Dein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden.
Amen.



UNSER TÄGLICHES BROT GIB UNS HEUTE - MARINA FALKE


DENN DEIN IST DAS REICH UND DIE KRAFT UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT - BEATE MARKER

Vaterunser im Himmel – so beginnt  d a s  Gebet der Christen. Und das einzige Gebet Jesu, dessen Worte uns in der Bibel überliefert sind. In aller Kürze und Knappheit richtet es sich an Gott. Und spricht ihn vertraulich mit „Vater“ an.
Das Vaterunser ist manchem lebenslang vertraut und wichtig und oft in Fleisch und Blut übergegangen. Viele kennen es auswendig, in manchen Kitas wird es bereits von kleinen Kindern gelernt und auch Alte, die kaum noch sprechen, stimmen noch in diese vertrauten Worte ein. Es ist sozusagen ein Gebet für alle. Und es ist ein Gebet für alle Fälle. Auch wenn ich selber keine Worte zum Beten finde, kann ich auf diese Worte zurückgreifen. Denn Beten tut gut, beten hilft. Wir wenden uns an Gott, an die Macht, die größer ist als jede menschliche Macht. 
Das Vaterunser ist einerseits ein ganz persönliches Gebet. Jede und jeder kann es in einer besonderen Lebenssituation sprechen, mit dem eignenen Glauben, den eigenen Ängsten, den eigenen Sorgen. Das Vaterunser ist andererseits das Gebet einer Gemeinschaft, die zum Beispiel im Gottesdienst spricht: 
U n s e r  Vater im Himmel… Das Wörtchen „ich“ kommt im Vaterunser nämlich nicht vor! 
 
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Ein Satz der klarmacht, was es mit dem angesprochenen Vater auf sich hat, wie gut es ist, ihn zu kennen und zu ihm zu beten. Er schließt an die sechste Bitte des Gebets - und erlöse uns von dem Bösen - an und sagt noch einmal ganz deutlich: Trotz aller Versuchung und trotz der Macht des Bösen: Gott ist stärker. Gott überwindet beide. Und so schließt das Gebet nicht mit dem Bösen. Es schließt mit der der Verherrlichung Gottes.
 
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. 
Mit diesem Schlusssatz vor dem Amen endet das Vaterunser. Irgendwie komisch, plötzlich ist da ein ganz anderer Ton im Gebet. Es wird so förmlich und feierlich. Voran gehen die sieben Bitten, zuletzt um Brot, um Vergebung und Erlösung von dem Bösen. Und nun eher unerwartet ein Lobpreis Gottes. 
Es sind Worte allerdings, die ursprünglich nicht zum Gebet dazu gehörten. In der Bibel sind sie in frühen Zeiten in den Evangelien nicht überliefert worden und stehen darum in unserer Bibel heute in Klammern. Aber schon die ersten Christen haben sie wohl in ihren Gottesdiensten an das Gebet angefügt. Ein Lobpreis, ein Loblied für Gott. Ein bisschen vergleichbar vielleicht mit dem „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist…“, das wir in unserer Eingangsliturgie im Gottesdienst nach dem Psalm singen. 
 
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. 
Zuerst: Denn dein ist das Reich. Da geht es um das Reich Gottes, das zentrale Anliegen Jesu. Er verkündet es und sagt: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Gottes Reich, seine Herrschaft über unsere Welt ist nahe. Jesus erzählt dazu anschauliche Geschichten. Zum Beispiel die vom Senfkorn. Er sagt: (MK 4)
Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Senfkorn: Wenn das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden; und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, sodass die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können. 
Ja, genau, das Reich Gottes beginnt ganz klein unter uns, in kleinen Zeichen scheint es auf, da wo Jesus wirkt. Es offenbart sich in seiner Gegenwart, z. B. wenn Jesus Menschen heilt. Und unter uns in einem glücklichen Augenblick unter Menschen, in menschlicher Nähe und Fürsorge, in einem offenen Gespräch, einer guten Entscheidung. Denn dein ist das Reich.
… und die Kraft. Von der Kraft, (Griechisch dünamis/ Deutsch Dynamik!), ist im Neuen Testament immer wieder die Rede. Von der Kraft Gottes, die uns in seinem Heiligen Geist begegnet und so unter Menschen wirkt. Die Kraft, die Menschen für Gott entflammt und in Bewegung setzt. Die Kraft, die Gottes Reich unter die Menschen bringt und es wachsen und gedeihen lässt wie ein Samenkorn, das in die Erde gelegt wurde. Zu Pfingsten wird sie deutlich sichtbar. Denn dein ist das Reich und die Kraft.
… und die Herrlichkeit. Gottes Größe, Stärke, seine Erhabenheit ist da gemeint. Das was Menschen nicht haben. Bei der Geburt Jesu, wie sie Lukas erzählt, scheint etwas von Gottes Herrlichkeit auf: Mitten in dunkler Nacht an einem düsteren Ort wird es strahlend hell, Engel erscheinen, die die Geburt Jesu verkünden und jubelnd singen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Friede auf Erden – danach sehnen wir uns, Frieden brauchen wir auch heute ganz dringend. 
 
Reich, Kraft, Herrlichkeit. Das sind Begriffe, die in irdischen Zusammenhängen oft einen ganz anderen Klang haben. Worte, die wir manchmal fürchten, weil sie auch für Gewaltherrschaft und Unterdrückung stehen. Im Vaterunser sind es Worte, die befreiend, ja erlösend wirken können, weil sie sich auf Gott beziehen.
 
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Die Christen haben Gott schon früh diese vier starken Eigenschaften zugeordnet und sie an die Bitten des Vaterunsers angehängt: Reich, Kraft, Herrlichkeit und dann Ewigkeit. Mehr Ehrerbietung geht eigentlich nicht. 
Das Reich, das klein beginnt und wächst. Die lebendige Kraft. Die göttliche Herrlichkeit  und die Ewigkeit, die über unsere Lebenszeit, über unsere menschliche Vergänglichkeit hinausweist. Gleichzeitig stehen Reich, Kraft, Herrlichkeit und Ewigkeit in einem auffälligen Gegensatz zu der vertraulichen Anrede, die Jesus empfiehlt: Unser Vater oder Vater unser, mit der das Gebet beginnt. Gottes Macht ist eben keine Macht, die über die Köpfe der Menschen hinweg regiert. Es ist eine Macht, der wir vertrauen dürfen, die wie Vater oder Mutter für uns da ist. Wir können uns im Gebet mit ihr verbinden 
 
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Dieser Schlusssatz gehört für uns heute unbedingt zum Vaterunser. Ein Lobpreis Gottes und gleichzeitig ein Bekenntnis zu dem einen Gott, der für Christen Reich, Kraft und Herrlichkeit repräsentiert. Es ist wie eine Vergewisserung, die auf die Bitten des Vaterunsers folgt, dass das Gebet sich an den Richtigen wendet und wirksam ist. Martin Luther schreibt im Kleinen Katechismus dazu: Dass ich soll gewiss sein, 
solche Bitten sind dem Vater im Himmel angenehm und werden erhört. Denn er selbst hat uns geboten, so zu beten, und verheißen, dass er uns erhören will.
 
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
 

AMEN - LUKAS PIEPER

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!

Für alle, die die Predigt vom Neujahrsempfang nochmal lesen möchten.
Und für alle, die nicht dabei sein konnten.
- eine Predigtkollage von Beate Marker, Viktoria Kratochwill und Heike Sieberns -


(Heike Sieberns)
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Liebe in jedem Atemzug und in jedem Handschlag.
Liebe in jedem Gruß und in jeder Antwort.
Liebe in jedem Gedanken. Liebe. Immer und überall.

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Ein frommer Wunsch. Denn wer jetzt die rosarote Brille auf der Nase trägt, nimmt die Liebe nicht ernst. Denn Liebe ist nicht artig. Es ist kein Händchen falten, München halten, Öhrchen spitzen, gerade sitzen. Das ist sie nicht. Und Liebe trägt auch keinen Kitsch in sich. Kein Glitzer und keine keine kleinen Herzchen.

Liebe ist kein Kinderspiel, sondern im Kern fast unmenschlich. Denn was sie verlangt, ist alles. Alles, was uns Menschen so oft am Herzen liegt.

Liebe, die es ernst meint, schreit nicht: „Ich, ich, ich!“ und ist auf den eigenen Vorteil aus.
Liebe, die es ernst meint, ist nicht berechnend.
Liebe, die es ernst meint, bewegt sich nicht in der eigenen Comfortzone.
Sie stellt sich nicht selbst ins Rampenlicht.
Und sie beharrt nicht auf ihrem Standpunkt.

Denn Liebe geht immer raus. Zu dir. Zu ihm. Zu ihr.
 Liebe bleibt nicht für sich. Das kann sie gar nicht. Sie hängt sich an dir fest, aber drängt sich nicht auf.
Liebe geht nicht den Weg des geringsten Widerstandes. Manchmal mag man meinen, den des größten Widerstandes.
Denn Liebe ist ehrlich und aufrichtig - auch, wenn dann eine Träne rollt. Sie ist ehrlich und aufrichtig um deinetwillen. 

Liebe ist kein Kinderspiel.
Denn was sie verlangt, ist alles.


(Beate Marker)
Eine klarer Grundsatz ist es, der uns durch dieses Neue Jahr, durch das Jahr 2024 leiten soll: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. (1. Korinther 16,14). Eigentlich kann dem jede/r spontan zustimmen, ob Christin oder Christ - oder auch nicht: Ja, das ist gut und richtig. Wir sollten versuchen, liebevoll und rücksichtsvoll miteinander umzugehen.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Eine klare Handlungsanweisung für jeden Tag - und doch nicht so leicht umzusetzen.
Der Jahreslosung geht es um viel mehr als z. B. ein whatsapp-Herzchen ausdrücken könnte. Es geht auch nicht um die Liebe, die durch den Magen geht oder gar um Liebe, die blind macht. Es geht um veranwortungsvolle Liebe zu den Menschen, um ein Füreinander Dasein und Füreinander Einstehen. 
Im Brief an die Gemeinde in Korinth, aus der die Losung kommt, redet Paulus über die Bedeutung der Liebe in unserem Leben und stellt fest: Wo die Liebe fehlt, verliert alles andere seinen Wert. Ja, selbst hohe menschliche Errungenschaften und Werte sind ohne Liebe vergebens. Da lesen wir: Hätte ich allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.
Das heißt doch: Alles, selbst jedes Opfer, wird unbedeutend und lediglich zum Selbstzweck, wenn es nicht von Liebe getragen ist, wenn es nicht von Liebe durchdrungen ist. Die Zutat der Liebe ist nötig wie das Salz in der Suppe. Das gilt sogar für den Glauben: Ohne Liebe ist er bedeutungslos.
 
Liebe ist nicht nur ein angenehmes Gefühl der Sympathie. Liebe tut etwas, sie lächelt, sie weint, sie freut sich mit anderen, sie fragt nach, sie packt an. Manchmal empört sie sich auch und widerspricht. Auch im Umgang mit gesellschaftlichen Problemen meldet sie sich zu Wort: zum Beispiel bei der Debatte um die Verteilung und Betreuung von Flüchtlingen in Europa. Der Geist der Liebe soll in allem handeln, was wir tun. Und dieser Geist kann verändern.
Quelle der Liebe ist Gott selbst. Denn Gott selbst ist die Liebe. Die Liebe, die er uns mit Jesus Christus schenkt und zeigt. Liebe, die wir annehmen und weitergeben können. In aller menschlichen Unvollkommenheit. 
Liebe macht dennoch manches möglich, was man nicht erwartet hätte. In einer Welt, die immer mehr von der der Liebe entgegengesetzten Bestrebungen, von Hass, Gewalt und Krieg geprägt ist, ist es besonders wichtig, die Bedeutung der Liebe zu betonen und zu stärken. Sie verbindet Menschen untereinander über manche Grenzen hinweg. Liebe ist eine treibende Kraft, ein Kraft zum Guten, die unser Reden und Handeln bestimmen sollte. Die Jahreslosung erinnert da jeden Tag: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.


(Viktoria Kratochwill)
“Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe” – das ist dasjenige Wort unserer Heiligen Schrift, mit dem unser neues Jahr überschrieben wurde. Und wir sollen das in unseren Herzen hören, nicht nur in labbrigen Andachten zu Sitzungsanfang und -ende und sinnlosen Plätschereien im Radio, die dahindudeln, während wir eigentlich was ganz anderes machen.
Wie jede Jahreslosung ist auch diese höchst bedeutungsschwanger. Sie ist vollmundig und anspruchsvoll, überfordert bei näherem Hindenken und ist irgendwie auch ein bisschen romantisch. Sie passt irgendwie zu allem, und genau das ist auch irgendwie ihr Problem. Wie der schwarze Pullover, der irgendwie auch immer zu allem geht. Die einen würden sagen: „Ein Klassiker! Ein Keypiece!“. Die anderen würden sagen: „Ein bisschen charakterlos, und genau deswegen fügt er sich nahtlos in jedes Outfit ein“.
 
Ich bin ganz gewiss, dass in den sieben Worten unserer Jahreslosung eine Ermahnung steckt und eine große Portion Wagemut. Beides braucht unsere Kirche in diesem Jahr und allen, die da kommen werden, so Gott will. All das brauchen wir, die wir die Kirche sind.
 
Eine Ermahnung also. Sie lautet: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Sie lautet nicht: „Tut alles, und das tut dann bitte alles auch noch in Liebe“.
Es ist keine bahnbrechende Erkenntnis, dass es uns gerade an Lieblosigkeit nicht mangelt.
Es scheint hingegen in der Kirche etwas Bahnbrechendes zu sein, gerade nicht alles zu tun, und das mit Liebe.
Wirklich und wahrhaftig gibt es noch beeindruckend viele Menschen, die weder begreifen noch begreifen wollen, dass die „Volkskirche“, diese aufgeblasene, wohlstandsverwahrloste Institution, die immer überall alles machen konnte und deswegen auch getan hat, dass die ein Gespenst von Vorgestern ist. Nicht von gestern. Von vorgestern. Wir sind eine Minderheit in diesem Land. Es gibt keine Volkskirche. Wer will und fordert, dass Kirche weiterhin immer alles überall tut, der verlangt drei Dinge.
Dass wir ein totes Pferd reiten.
Dass diejenigen, die das tun sollen, sich dabei bitteschön verbrennen.
Und dass die Kirche Gottes ein charakterloser schwarzer Pullover wird, der sich nahtlos überall einfügt. 
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Die Frage ist also: Was werden wir tun?
 
Ich sagte, dass ich in diesen sieben Worten auch eine große Portion Wagemut höre.
Denn sie lauten ja „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“. 
Sie lauten nicht: „Seid lieb!“
Gott ist die Liebe, aber Gott ist eben nicht lieb. Und das ist ein gewaltiger Unterschied, von dem ich behaupte, dass wir ihn oft vergessen oder verwischen in der Kirche.
 
Jesus ist durch den Tempel marschiert, mit einer Peitsche in der Hand, hat Tische umgeschmissen und Leute angebrüllt. Weil es so, wie es war, inakzeptabel war. Weil die Verschränkung von Religion, Wirtschaft und Macht und Politik nie etwas Gutes getan hat. Und weil es am Ende immer mehr um das geht, was man tut und gewinnt für sich selbst um das, wofür oder für wen man es tun sollte, und das ist Gott allein. Und um seinetwillen für die Menschen.
 
Nun möchte ich nicht darauf hinaus, dass in den nächsten Sitzungen der Gemeindeausschüsse die Peitschen und Mistgabeln auf den Tischen liegen, wenn darüber gesprochen wird, wenn und wenn ja in welcher Form es wieder einen Adventsbasar geben wird.
Ich möchte auch nicht, dass es dann nächste Woche in der Mottenpost heißt „Gewaltausschreitungen zwischen verfeindeten Glaubenseiferern in der Region Dassel nach gemeinschaftlichem Erweckungserlebnis.“
Aber was ich möchte, ist dass wir alle, die wir ja die Kirche sind, darüber sprechen und reden und diskutieren und beten und ja, vielleicht auch mal mit Leidenschaft streiten – was das heißt, dass wir eine Kirche – eine Gemeinde – eine Gemeinschaft von Menschen sind, die an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist glauben.
Was heißt das für uns in dieser Welt in der wir leben?
Und was heißt das für die Welt, dass es uns, dass es diese Kirche gibt?
Ich glaube, dass wir das gut aushalten können, Widerstreit an Meinungen. 
Wir haben ja sogar vier Evangelien, das kann man sich gar nicht ausdenken. 
Viermal Evangelium. Einmal nach Markus, einmal nach Matthäus, einmal nach Lukas, und einmal nach Johannes. Und die erzählen zwar alle die gleiche Geschichte, aber alle anders, und jeder behauptet, seine Sicht ist die richtige und die der anderen eigentlich falsch.
Auch das ist unsere Kirche. Verschiedenheit und Dissens und Streit und Diskussion und Vielfalt und Leidenschaft für Gott. Und wir halten das aus, weil wir alle gemeinsam auf einem Grund stehen, der die Liebe ist, aber eben nicht lieb.
 
Meine überaus geschätzte Kollegin Heike Sieberns gab mir einmal ein kluges Wort mit auf den Weg: Nach Abnicken kommt Einnicken. Wenn wir immer lieb sind, wenn da kein lebendiger Austausch ist, wenn da keine redliche Ehrlichkeit ist, wenn wir alles immer nur Abnicken, dann nicken wir ein. Und dann sind wir eines Tages weg, sang- und klanglos.
Also, lasst uns reden. Und dann tun. In Liebe. Amen.

Andacht Landesbischof Meister, Weihnachten 2023

Andacht zum 3. Advent 2023

Andacht zum 2. Advent 2023

Andacht zum 1. Advent 2023

Andacht zum 26. November 2023

Andacht zum 19. November 2023

Andacht zum 5. November 2023